Der April ist da – und der hat den Frühling gleich im Schlepptau. Für viele Wintersportbegeisterte noch lange kein Grund, die Saison als beendet anzusehen und die Ausrüstung bis zum Ende des Jahres einzumotten. Doch wo noch auf die Piste?
In vielen hochgelegenen Skigebieten stellen trotz top Bedingungen die Bergbahnen den Betrieb ein und verfallen in den Sommerschlaf. Ganz nach dem Motto: „Es liegt noch Schnee? – Das ist doch uns egal.“
Genau das – wenn ich in voller Montur vor verschlossenen Bergbahnschranken stehe – ist so ein Moment, in dem ich mich Frage: „Wieviel Zentralismus und wieviel Dezentralisierung ist tatsächlich sinnvoll?“
Wem ist da bitte geholfen?
Wenn ich an diesem Punkt bin, dass ich mir selbst eine solche Frage stelle, befinde ich mich schlagartig in einem Zwiespalt. Ich bin eigentlich jemand, der sich grundsätzlich für weniger Zentralismus in unserer Gesellschaft einsetzt und vehement eine Lanze bricht für mehr Dezentralisierung. Aber „eigentlich“ und „grundsätzlich“? Die Bergbahnen in vielen Gebieten in der Schweiz haben ein ums andere Mal gelehrt, dass die strikte Ablehnung des einen wie auch des anderen Prinzips der absolut falsche Weg ist. Dass wir uns dringend vom „entweder oder“-Schema verabschieden und uns zum „sowohl als auch“-Denken bewegen müssen.
Denn in den Tourismusregionen leiden am Ende nicht nur die Skifahrer unter der scheinbar willkürlich, dezentral festgelegten Geschäftszeiten der Bergbahnen. Sie löst vielmehr eine Lawine an Einbussen für alle aus: Schliesst die Bergbahn, bleiben die Hotelgäste aus – durch die Einschränkung des Hotelbetriebs wiederum können die Restaurants ihre Stühle hochstellen und die Herde vom Strom nehmen.
Wanted: Kompromissbereitschaft
Wenn sich in den vielen Gemeinden jeder nur mit seinen eigenen Ideen und individuellen Bedürfnissen beschäftigt, ist die Gesamtregion genauso auf dem Holzweg wie jedes Grossunternehmen, in dem jede Führungskraft nach einer eigenen Philosophie agiert. Wir müssen endlich lernen, über den Tellerrand zu schauen, im Grossen zu denken und vom Ellbogenprinzip des Einzelkämpfers wegzukommen. Leider leben wir jedoch in einer Welt, in der „entweder oder“ weiterverbreitet und Kompromissbereitschaft verpönt ist – in der Politik und an den Universitäten ganz besonders. Aber, wie Sie sehen, im Tourismus in der Schweiz eben auch.
Doch wie können wir das ändern? Selbstverständlich fange ich jetzt nicht an, das Prinzip der zentralen Systeme und der staatlichen Kontrollen zu befürworten. Keine Angst. Schliesslich bin ich nach wie vor überzeugt, dass jeder Mensch eine Meinung haben sollte. Aber wir müssen auch immer in der Lage sein, diese zu hinterfragen, im Kopf flexibel zu bleiben und unsere Meinung ändern zu dürfen, wenn wir sie als nicht mehr stimmig anerkennen. Was wäre also, wenn alle Beteiligten pro Tourismusregion der Schweiz Teil einer Struktur, eines gewählten Gremiums würden, in dem sich Mitglieder aller Interessengruppen vereinen? Das gemeinsame Entscheidungen trifft, die alle individuellen Bedürfnisse berücksichtigt? So würde eine Art von zentralisierter Infrastruktur geschaffen werden, die von der Politik weitestgehend gelöst agiert. Und damit endlich Dinge in Bewegung setzen kann.
Eine Horizonterweiterung
In einem Skigebiet im Kanton Graubünden funktioniert ein ähnliches Prinzip bereits – weil eine Person das Problem erkannt und die Sache in die Hand genommen hat. Sie stellte die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt und traf schnelle Entscheidungen, die allen am Tourismus beteiligten Mitspielern zugute kommen. Dort kann ich morgens im Pyjama zur Station gehen und Bescheid sagen, dass meine Skiausrüstung bitte nach dem Frühstück für mich bereit liegt. Gleichzeitig kann ich gerade noch meinen Lieblingstisch in meinem Lieblingsrestaurant buchen und die Skilektionen für die Kids arrangieren. Ein Traum!
Dementsprechend könnte ein solches zentrales Gremium entscheiden, die Bergbahnen im Winter 2018/2019 noch bis Mai geöffnet zu lassen – wenn die Wetter- und Gästelage dementsprechende Gewinne für alle verspricht.
Ich bin gespannt, wie sich die nächste Saison entwickelt. Vielleicht hat sich das gedankliche Vokabular bis dahin ja um die Wörtchen „sowohl“ und „als auch“ erweitert. Wünschenswert wäre es allemal.