Bei Unternehmen, die sich um die digitale Transformation Gedanken machen, beobachte ich einen Trend, in dem Sie sich selbst vielleicht wiedererkennen: Wenn nach geeigneten Mitarbeiter gesucht wird, konzentrieren sich alle auf die junge Generation. Ich kann diese Neigung aus einem gewissen Blickwinkel heraus verstehen.
Transformation ist mehr
Wenn Sie Digitalisierung mit technischem Fortschritt gleichsetzen, ist klar: Da gibt es einen Unterschied zwischen denen, die diesen technischen Neuerungen erst im Erwachsenenalter begegnen, und denen, die damit aufwachsen. Die Jungen sind nicht mehr analog, sondern bereits digital „verdrahtet“. Wenn es bei der Digitalisierung also nur um Technik ginge, wäre die Vorliebe der Unternehmen nachvollziehbar.
Doch die digitale Transformation hat in meinen Augen mit viel mehr als Technik zu tun. Sie ist vor allem eine Sache des strategischen Denkens. Für eine erfolgreiche Transformation sind nicht Fragen nach der neuesten Technik wichtig, sondern solche wie: Was bringt die Transformation für Veränderungen an meinem Geschäftsmodell? Welchen Impact hat sie für mein Business?
Die Überlegungen in den Unternehmen bei der Auswahl von Mitarbeitern müsste also lauten: Welcher Bewerber hat das strategische Denken besser drauf?
Aus Fehlern lernen
Meiner Beobachtung nach ist strategisches Denken nicht an ein bestimmtes Alter gebunden, aber sehr wohl an Erfahrung. Wenn sich ein Mitarbeiter im Laufe seines Berufslebens immer mehr in diese Richtung entwickelt, schult er auch seine Fähigkeit, vernetzt zu denken: Also nicht nur in Ursache-Wirkungs-Abläufen, sondern in Szenarien. Das ist es, was für eine erfolgreiche Transformation wesentlich mehr gebraucht wird, als technische Fertigkeiten.
Es wäre also kontraproduktiv, die erfahrenen Mitarbeiter möglichst durchgehend durch junge zu ersetzen. Diesen Fehler hat die schweizerische Pharmaindustrie vor einigen Jahren schon gemacht – und bitter bereut. Sie haben ihre älteren Mitarbeiter in den Vorruhestand geschickt und anschließend für teures Geld diese oder externe Berater wieder hereingeholt.
Ich denke, die Firmen brauchen einen guten Mix aus alt und jung – und immer mehr Unternehmen sehen das auch so.
Zu jung
Vor Kurzem erst stand ich mit einer Firma wegen deren Transformationsprozesses in Kontakt. Das sind Bauplaner, die auch mit neuen 3D-Technologien zeichnen.
Ich fragte den Geschäftsführer: „Wie hoch ist das Durchschnittsalter bei euch?“
Seine Antwort lautete: „32 Jahre.“
Ich entgegnete: „Das ist aber jung!“
Er nickte und sagte: „Ja, das finden wir inzwischen auch. Wir sind gerade dabei, gezielt auch ältere Mitarbeiter anzuwerben. Wir haben gemerkt, dass wir nicht nur neues Wissen, sondern auch Erfahrung brauchen.“
Auf die Balance kommt es an
Dass Diversity in Unternehmen ein Erfolgsfaktor ist, ist nachgewiesen. Und ich denke, dass Sie diese Vielfalt nicht nur auf Geschlechter und Kulturen beziehen sollten. Sie gilt auch für unterschiedliche Erfahrungsniveaus. Erst mit der richtigen Balance zwischen Know-how und Erfahrung sind Sie für die digitale Transformation gut aufgestellt.