Was wir mit der Digitalisierung gerade erleben, ist meines Erachtens ein richtig tiefer Einschnitt in die Menschheitsgeschichte – ich denke sogar, sie wird die größte gesellschaftliche Veränderung unserer Geschichte sein. Vergleichbar mit dem Übergang vom Nomadenleben unserer Vorfahren hin zum sesshaften Leben als Bauern. Genau wie diese Veränderung bringt uns auch die Digitalisierung jede Menge Vorteile – aber eben auch Nachteile.
Dauer-Fitness-Programm
Unsere frühen Vorfahren waren Jäger und Sammler. Sie waren täglich mehrere Stunden unterwegs, um Wild zu erlegen oder essbare Pflanzen zu suchen. Hinter jedem Baum, hinter jedem Strauch konnte eine Gefahr lauern, das heisst, sie waren ständig auf der Hut. Sie mussten geniessbare von ungeniessbaren oder gar giftigen Pflanzen unterscheiden, immer frisches Wasser und auch einen geeigneten Platz für das Nachtlager finden. Das heisst, jeder unserer Vorfahren trainierte Tag für Tag sowohl seinen Körper als auch sein Gehirn. Bis die ersten Menschen sich auf Dauer niederliessen und auf Ackerbau und Viehzucht umsattelten.
Bald zogen die meisten nicht mehr quer durch die Lande, um an Essen zu kommen, sondern sie bauten es quasi vor der Haustür an. Das heisst, die tägliche Bewegung reduzierte sich drastisch, ebenso der eigene Horizont. Gleichzeitig wurde die Ernährung einseitiger: Es gab nur noch das, was auf den Feldern wuchs. Tatsächlich wurden die Menschen durch diese Veränderung erst einmal weder gesünder noch klüger.
Trotzdem bin ich froh, dass die Menschheit diesen Schritt damals getan hat, denn so ziemlich unser gesamter Fortschritt seither wäre nicht möglich gewesen, wenn wir weiter als Nomaden durch die Welt gezogen wären.
Und so ähnlich sehe ich die Digitalisierung …
Sesshaftwerdung in der Digitalisierung
Diese hat uns jede Menge Gadgets beschert wie Smartphones, Computer, Smartwatches. Sie können fast alles damit messen und etliches von dem, was Sie früher selbst bemerken und einordnen mussten, delegieren: Haben Sie gut geschlafen? Haben Sie sich heute schon ausreichend bewegt? Ist Ihr Puls zu hoch? Es ist ein leichtes, das eigene Gefühl an Geräte auszulagern. Adressen auswendig wissen? Termine im Kopf haben? Den Weg auf der Landkarte finden? Nicht nötig, denn auch das erledigt ein Ding für Sie. Das Gedächtnistraining, das Sie damit ganz nebenbei früher erledigt haben, fällt also weg.
Ich sage nicht, dass das alles schlecht ist – im Gegenteil. Ich sage nur, dass es Auswirkungen auf Menschen hat, wenn sie sich all dieser unbequemen Trainingseinheiten entledigen können. Dass ich mir zum Beispiel keine Telefonnummern mehr merken muss, finde ich klasse. Es gibt mir und allen anderen jede Menge Freiraum im Kopf. Die Frage ist nur, wie wir diesen frei gewordenen Speicherplatz nutzen.
Framing für Chancen
Wir können die Kapazität für Kreativität und Innovationen in allen Bereichen nutzen – so wie es die sesshaft gewordene Bevölkerung mit der Zeit auch verstanden hat. Daraus ist der Fortschritt entstanden, von dem wir heute profitieren.
Ich bin kein ausgesprochener Technik-Freak, aber die Vorstellung, was mit der Digitalisierung auch an Verbesserungen in Wirtschaft und Gesellschaft möglich ist – die fasziniert mich.
Sie könnten diesen Ansatz auch ein wenig fatalistisch nennen: Mir ist nämlich klar, dass ich die Digitalisierung nicht aufhalten könnte, selbst wenn ich es wollte. Aber ich kann die Entwicklung für mich so framen, dass ich und mein Business einen Vorteil daraus ziehen. Und ich bin sicher: Das können Sie auch, wenn Sie es wollen.