In vielen Unternehmen herrscht in Sachen Führung heute noch das Motto: „One size fits all“. Doch das klappt heute weniger denn je. Denn wenn Sie Talente fördern und Menschen entwickeln wollen, kommen Sie mit dieser Gleichmacherei nicht weit, weil Menschen per se nicht gleich sind.
Allein wenn ich meine beiden herangewachsenen Kinder anschaue: ein junger Mann, eine junge Frau. Klar, sind sie äusserlich unterschiedlich. Aber auch innerlich könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Obwohl sie im genau gleichen Umfeld aufgewachsen sind. Warum das so ist, weiss ich nicht, aber die Unterschiede sind da. Und diese Unterschiede sind auch zwischen Ihren Mitarbeitenden da.
Führung My Size
Ich bin zum Beispiel sicher, dass Sie Menschen kennen, die am Morgen sehr gut arbeiten können, aber irgendwann ab Nachmittag durchhängen. Und dass Sie Menschen kennen, die am Morgen nicht ansprechbar sind, dafür aber bis tief in die Nacht arbeiten können. Wenn Sie sowohl die einen wie die anderen zwingen, in einer einzigen Zeiteinheit zu arbeiten, vernichten Sie unglaublich viel Potenzial. Denn wenn Menschen etwas tun müssen, was ihnen widerstrebt, müssen sie dafür sehr viel Energie aufwenden.
Das heisst, um dieses Potenzial nutzen zu können, müssen Sie die Menschen als Individuum betrachten: in ihren Stärken und Schwächen, in ihren Handlungen. Und jeder Mensch kann sich von da, wo er steht, weiterentwickeln.
Deshalb darf nicht „One size fits all“ gelten, sondern „My size fits me“.
Maximal ungerecht
So müssen Sie im Führungskontext unterschiedlich mit Menschen umgehen: Maximale Gleichbehandlung ist maximal ungerecht und kontraproduktiv. Sie müssen sie innerhalb Ihrer Vision, Ihrer Mission, Ihrer Strategie so behandeln, dass sie sich entwickeln und mit Ihnen in die gleiche Richtung marschieren können. Aber eben jeder auf eine andere Art und Weise.
Das macht die Führung und die Zusammenarbeit einerseits höchst anspruchsvoll, weil sich ein chaotisches System bildet, es die ein oder andere Diskussion gibt, mehr Kommunikation nötig ist, mehr Abgleich mit den wichtigsten Schnittstellen. Aber so entstehen andere „Betriebssysteme“. Die grundsätzliche Frage, die sich hier stellt, ist: Wollen Sie, dass bei Ihnen im Unternehmen „measured by performance“ gilt oder „measured by time“? Einfacher zu messen ist natürlich die Zeit.
Gut oder nicht gut?
Hat die oder der Mitarbeitende acht Stunden gearbeitet: Ja oder nein? Ja, hat sie oder er. Dann ist es gut.
Hat er oder sie nur sechs Stunden sichtbar unter Ihren Augen gearbeitet, sagt aber: „Ich habe die vereinbarte Performance in der Zeit locker geliefert und am Nachmittag in der Badeanstalt auch noch ein Buch gelesen, aus dem ich viel gelernt habe.“ Ist das dann auch gut? Ist Ihr Betriebssystem auf Performance ausgelegt, ist die Antwort eindeutig „Ja“. Denn wann und wie die vereinbarte Performance entstanden ist, ist dann ja egal und soll in der Verantwortung des Mitarbeitenden sein.
Aber ich weiss: Das ist ein anderes Denk- und Führungskonzept als das althergebrachte. Aber aus meiner Sicht ist die dahingehende Veränderung dringend notwendig.
Moderatoren, Coaches und Prozessdesigner
Nach diesem Konzept sollten Führungskräfte die Rolle wahrnehmen, die ich als externer Business-Transformer wahrnehme. Sie sollten Prozesse moderieren; dafür sorgen, dass sich das System und die Menschen weiterentwickeln können; darauf achten, dass Teams die vereinbarte Richtung einschlagen; mehr über Team- als über Einzel-Performance diskutieren und Team-Play fördern; sich um die nötigen Ressourcen und Rahmenbedingungen kümmern, damit das Team seine Aufgabe erfüllen kann und passieren kann, was passieren soll.
Ich sehe die Führungskräfte der Zukunft tatsächlich mehr als Moderatoren, Coaches und Prozessdesigner als diejenigen, die fachlich das Sagen haben. Sie sind übergeordnete Wegbereiter und Begleiter. Inhaltlichen Input liefern sie nur dann, wenn sie danach gefragt werden. Das heisst, sie punkten nicht über die fachliche Kompetenz alleine, sondern über die Persönlichkeit.
Die moderne Führungskraft ist fit im Bereich des 3fachen V: Verhandeln, Vereinbaren und Verbindlichkeit einfordern – und zwar auf ihre persönliche Art. Denn auch bei Führungskräften gilt, dass Gleichmacherei Ihrem Unternehmen nur schadet.
Ihr Markus Hotz