Rente. Digitalisierung. Der Sinn des Lebens. Die Zukunft im Business. Die Fragen der nächsten Generation. Über sowas höre ich Führungskräfte reden, wenn sie sich zwischen zwei Terminen austauschen. Oder meine Freunde, wenn sie am Abendessenstisch zusammensitzen und über das Leben nachdenken. Ich stelle immer wieder fest: Die Vielfalt an Gesprächsthemen, die Palette an den Gedanken, die die Menschen umtreiben, ist unglaublich bunt. Und wenn sich dann doch mal ein Thema als Trend herauskristallisiert, gibt es so viele Ansichten dazu, wie das Wasser Blautöne hat.
Trotz der großen Bandbreite habe ich ein Schwerpunktthema ausmachen können. Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir: Fast alle Gedanken führen letztlich trichterförmig auf eine gedankliche Essenz hin: Auf die Kernfrage, was den Menschen in ihrem Leben Stabilität gibt. Und bei der Frage erkannte ich, dass sich jeder von uns zwischen zwei Polen bewegt: Zwischen Freiheit auf der einen, und Sicherheit auf der anderen Seite.
Aber gibt es überhaupt Freiheit ohne Sicherheit oder Sicherheit ohne Freiheit?
Zwei Grundbedürfnisse
Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten.Da gibt es die Menschen, die Sicherheit und einen stabilen Rahmen um sich herum brauchen. Einen festen Halt im Leben. So etwas gibt ihnen beispielsweise ein sicherer Arbeitsplatz, also die Gewissheit, den einmal eingeschlagenen Berufs- und Lebensweg nicht verlassen und verändern zu müssen. Sie tun sich schwer mit den volatilen Zeiten, in denen 5- oder gar 10-Jahrespläne keine Relevanz mehr haben und das Business mit instabilen Märkten zu tun hat. In einem meiner Workshops offenbarte sich kürzlich einer der Teilnehmer vor versammelter Mannschaft. Er gestand, dass er Angst hat, seinen Job zu verlieren und dann in seinem Alter keine Anstellung mehr zu finden. Darüber machte er sich Sorgen.
Aber ist er aufgrund seines Sicherheitsbedürfnisses dann nicht in seiner Freiheit eingeschränkt? Dazu gleich mehr …
Auf der anderen Seite gibt es dann noch die Freiheitsmenschen, die gar nicht genug Variation, Dynamik und Veränderung haben können. Die nicht mehr an einen festen Ort gebunden sind. Sie verstehen sich als Weltenbürger und haben eine regelrechte Aversion gegenüber jeder Art von Routine. Dabei hilft manchmal ein repetitives Vorgehen, um eine stabile Praxiserfahrung und daraus eine verlässliche Erfahrung ableiten zu können.
Und dieser Freiheitsmensch – muss er nicht zumindest einen Teil seiner Sicherheit aufgeben, um seine Freiheit genießen zu können?
Der Zweifel korrigiert
Ich glaube, dass weder der Sicherheitsmensch in seiner Freiheit, noch der Freiheitsmensch in seiner Sicherheit eingeschränkt sind – denn das eine schließt das andere nicht aus. Allerdings bedeuten Freiheit und Sicherheit nicht für jeden dasselbe.
So gibt es dem Sicherheitsmenschen ein Gefühl der Freiheit, zu wissen, dass ihm seine Anstellung sicher ist und ihm dadurch Stabilität gegeben wird. Er muss sich keine Gedanken über seine (Job-) Sicherheit machen, sondern kann sich ganz frei auf andere Dinge konzentrieren.
Dem Freiheitsmenschen gibt genau das Gegenteil Sicherheit: Er blüht auf, wenn ihm seine Freiheit sicher ist, er also zum Beispiel nicht in einem Job „gefangen“ ist, auch wenn das mehr Variation und Dynamik bedeutet. Aber genau diese Bewegung ist es, wonach der Freiheitsmensch strebt – und wenn er in Bewegung sein darf, fühlt er sich sicher.
Ob Sie nun der Typ Sicherheit oder eher ein Freiheitsmensch sind: Ihre Grundbedürfnisse haben es verdient, ernst und wichtig genommen zu werden. Und als Teil des Selbst verstanden und akzeptiert zu werden. Denn sie gehören zu jedem Menschen wie sein Fingerabdruck oder seine Stimme. Sie prägen das Sein und Verhalten.
Genauso wichtig ist aber, dass neben dem Grundbedürfnis auch noch die Stimme des Zweifels gehört wird: Denn der Zweifel hilft bei der Weiterentwicklung, er fordert auf, alte Muster zu hinterfragen und durch neue Denkweisen zu ersetzen. Nichts ist so wertvoll wie die ergebnisoffene Selbstreflexion.