Jeder Investor wünscht sich von „seinem“ Startup, dass es nicht nur die allerersten Hürden übersteht, sondern auch ein ansehnliches Wachstum hinlegt. Ich auch. Entsprechend schießen mir – und vielleicht auch Ihnen – sofort folgende Fragen durch den Kopf, wenn ein Gründer mir sein Vorhaben vorstellt: „Können die das? Warum können die das? Können die das unter allen Umständen?“
Der Plan vom Startup-Wachstum
Ich will auf gar keinen Fall diesen jungen Menschen grundsätzlich Misstrauen entgegen bringen – im Gegenteil, denn ich finde den Mut und den Elan, den Gründer beweisen, bewundernswert. Doch wenn mir eine 28-jähriger Person sagt: „Und in drei bis fünf Jahren erwarten wir einen Jahresumsatz von etwa fünf Millionen Euro.“, beschleicht mich schon der Gedanke: Verfügt er oder sie wirklich über die nötigen Kompetenzen?
Dann schaue ich mir die Vorerfahrungen an und sehe: Aha, er oder sie hat bisher immer in großen Strukturen gearbeitet. Dort, wo Sie in Ihrem Büro noch nicht einmal selbst ein Bild aufhängen oder Ihren Computer anschließen dürfen. Dort sind Sie gehalten, denjenigen zu holen, der für so etwas zuständig ist. Ja, in diesem Strukturen war dieser junge Mensch erfolgreich. Und dieser Erfolg hat ihm oder ihr das Selbstvertrauen gegeben, sich auf eigenen Füsse zu stellen. Gut so! Aber reicht das?
Don’t crack under pressure
Gründer unterschätzen in der Regel, an was sie alles denken müssen und welche verschiedenen Kompetenzen sie brauchen, um ihr Startup nicht nur über die ersten Hürden zu bringen. Und welche Schwierigkeiten auf sie warten. Das hat nichts mit Unkenrufen zu tun: Im Laufe der verschiedenen Entwicklungsphasen wird es unausweichlich zu Problemen kommen. Diesem Druck muss das Startup standhalten können.
Es gehört einiges an Erfahrung dazu, um schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt einschätzen zu können: Sind alle Kompetenzen für die derzeitige Phase an Bord? Wenn nein: Wie kann das Startup diese Lücken schließen? Und wie sieht es perspektivisch aus?
Je früher Sie solchen Gaps auf die Spur kommen und Lösungen dafür finden, desto weniger Turbulenzen erlebt die junge Firma. Das ist wichtig, denn diese Turbulenzen können auch schnell existentiell werden.
Blinde Flecken
Ich habe vor einigen Jahren den Prozess bei einem Startup am Rande mitverfolgt, weil ein guter Bekannter dort investiert hatte. Zu Beginn war dieser voll Zuversicht, denn die Idee war gut und die ersten Quartale vielversprechend. Eine Wachstumsphase stand an. Doch dann geriet alles ins Stocken: Die Zahlen stimmten nicht mehr, unter den Mitarbeitern rumorte es.
Der Investor bat mich, mit meiner Erfahrung eine Einschätzung zu geben: Was war der Grund für die Probleme? Tatsächlich habe ich etwas Erfahrung mit Startups, sowohl auf Gründer-, als auch auf Investorenseite. Noch mehr Erfahrung habe ich in der Business-Transformation, die im Grunde auf sehr ähnlichen psychologischen Mechanismen beruht. Und diese Erfahrung sagte mir sehr schnell: Hier macht sich ein blinder Fleck bemerkbar.
Der geschäftsführende Gründer war ein begnadeter kreativer Kopf, aber kein guter Manager. Das wollte er selbst aber nicht sehen. Er wollte es auch nicht hören, denn „Founder and CEO“ tönte für ihn einfach zu gut. Er hätte sehr viel früher jemanden gebraucht, der ihm seinen blinden Fleck zeigt. Eine einmal durch Kompetenzlücken entstandene Unwucht zu reparieren, ist demgegenüber wesentlich schwieriger.
Gerade die Zeit des Wachstums bei Startups wird in ihren Herausforderungen gerne unterschätzt, weil keiner frühzeitig nach den Gaps in Sachen Kompetenzen Ausschau hält. Und wie steht es darum in den Startups, in die Sie investieren möchten?